Bramscher Nachrichten 18. März 2009 00:00 Uhr
Die hohe Kunst des Absurden
Die Theateraufführungen von Abschlussklassen der Johannes-Schule Evinghausen sind nicht nur stets eine Art Reifeprüfung für die Schülerinnen und Schüler. Auch der jeweilige Klassenlehrer muss sich einigen Herausforderungen stellen, nicht zuletzt bei der Auswahl des zu seinen Schüler passenden Stücks. In diesem Jahr war der Kanadier Christian Amyot gefordert, und er lieferte ein echtes Kabinettstückchen ab. „Die kahle Sängerin“ von Eugène Ionescu wurde am 15. Mai 1950 in Paris uraufgeführt und gilt auch heute noch als provokative Absage an das traditionelle Theater.
Eben diese Wahl liefert in den kommenden Tagen eine wohltuende Abwechslung zu den ansonsten bevorzugten Komödien oder Stücken mit bedeutungsschwangeren Inhalten, die auf dem Waldorfhügel normalerweise zur Aufführung gelangen. Eine starke Stunde lang die Perfektion des Absurden bringt die „La cantratice chauve“, wie der Einakter im Original heißt, auf die Bühne in der Icker Landstraße 8.
Uneingeschränkter Respekt vor der Wahl und noch mehr Applaus für die Gedächtnisleistungen der Aufführenden ist dem Klassenteam zu zollen. In sechs Wochen sehr intensiver Probenarbeit, in denen die fünf jungen Frauen sowie die drei männlichen Mitglieder der Theatertruppe jeden Abend wirklich müde nach Hause gingen, wurde ein Stück erarbeitet, dessen inhaltliche Zusammenfassung durchaus lauten kann „vielleicht verstehen Sie überhaupt nichts“.
Seinen roten Faden erhält „Die kahle Sängerin“, die übrigens zu keinem Zeitpunkt weder auf der Bühne noch sonstwo am Rande zu sehen ist, durch die Dialoge zweier unterschiedlicher Paare. Mrs. und Mr. Smith, herrlich energisch beziehungsweise mit dem wundervollen Charme eines großen Tanzbären, verkörpert von Carina Kaminski und Philipp Weber, bilden den einen Paarpol. Sie plappert unentwegt wie ein Wasserfall auf ihren zeitunglesenden Gatten ein, berichtet von alltäglichen Begebenheiten, die keinen Menschen interessieren. Er hingegen nimmt oftmals nur mit hüstelnden Geräuschen an der Konversation teil, hätte aber erkennbar lieber seine Ruhe, und, wenn er schon einmal spricht, dann wenigstens stets recht. Höchst unterhaltsam wird hier aneinander vorbeigesprochen, mit Sätzen ohne Zusammenhang.
Anderes findet sich bei den Martins. Das von Ilka Friedrich und Michael Grobe gespielte Ehepaar spricht zwar miteinander in Sätzen, die das zuvor Gesagte aufgreifen und erwidern. Allerdings leben die beiden miteinander, ohne sich zu kennen. Wer sie sind, erschließt sich für beide erst mühsam Schritt für Schritt im Dialog. „Wie seltsam, wie sonderbar, ich habe es gegessen“, lauten die Kernsätze, die das Kennenlernen ständig begleiten, bis schließlich herauskommt: Sie sind verheiratet, haben dieselbe Wohnung, ein Bett und eine gemeinsame Tochter.
Der Höhepunkt des ganzen Antitheaters mündet schließlich in der totalen Überspanntheit der Akteure. Aggressionen werden frei in einem wilden Durcheinanderschreien von Sprichwörtern, Wortfragmenten, sinnlosen Assoziationen, den Vokalen und Konsonanten des Alphabets.
Die hohe Kunst des Absurden kann in zwei eher intern gehaltenen Vorführungen am Donnerstag und Freitag jeweils um 10.20 Uhr bewundert werden. Samstag, 21. März, 20 Uhr, findet dann die offizielle Aufführung vor großem Publikum statt.